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Wie Diversity Trainings wirksamer werden

Wenn Sie diesen Blogartikel lesen, haben Sie vermutlich bereits Diversity Trainings gehalten, konzipiert oder in Auftrag gegeben. Dann stellen Sie sich vor, jetzt erscheint eine gute Fee und sagt Ihnen, dass Sie einen Wunsch frei haben für Ihre Diversity Trainings. Woran denken Sie jetzt?

von Kathrin S. Trump

Der Wunsch nach wirksamen Diversity Trainings

Als ich vor ca. 10 Jahren als Diversity-Trainerin angefangen habe, war mein größter Wunsch immer: mehr „impact“ – also wirkungsvollere Diversity-Trainings zu gestalten. Ich war zwar gut ausgebildet als Interkulturelle Trainerin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, hatte das Handwerkszeug, kannte einen Berg von Methoden – aber trotzdem waren meine Diversity Trainings für mich immer irgendwie anstrengend und ich war nicht wirklich zufrieden mit dem Ergebnis, obwohl die Teilnehmenden die Trainings immer gut fanden und Spaß dabei hatten. Ich hätte gerne mehr echtes Verständnis vermittelt, mehr Leidenschaft für Vielfalt geweckt, wirkungsvollere Überzeugungsarbeit geleistet.

Manchmal – an schlechten Tagen – kam ich auch durchaus ins Zweifeln, ob Diversity Trainings überhaupt etwas bringen? Ob sie wirklich meine Ansprüche erfüllen und aus meinen Trainingsteilnehmer*innen Menschen machen, die offener für Vielfalt sind, die besser mit ihrem eigenen Schubladendenken umgehen, und die wirklich davon überzeugt sind, dass sich mit mehr Vielfalt bessere Ergebnisse erzielen lassen. In einem etwa vor zwei Jahren erschienenen Artikel aus dem Harvard Business Manager mit dem ermutigenden Titel „Warum Diversity-Programme scheitern“, war zu lesen, dass in den USA Diversity Trainings Vorurteile sogar noch verstärkt haben. Dass Diversity Trainings so wirken, wie wir uns das wünschen, ist also gar nicht unbedingt gesagt: Es gibt durchaus Studien über positive Auswirkungen, aber eben auch welche, die negative oder im besseren Fall dann immerhin gar keine Auswirkungen von Diversity Trainings nachweisen. Der Stand der Forschung hierzu ist also erst einmal ambivalent bis verwirrend.
 

Die positiven Effekte von Diversity Trainings

Glücklicherweise sind in den letzten Jahren zwei Meta-Analysen erschienen, die insgesamt mehr als 300 Einzelstudien untersucht haben und die beide zum Ergebnis kommen, dass Diversity Trainings doch grundsätzlich wirksam sind und positive Effekte haben:

// Wissenszuwachs: Die Teilnehmenden wissen nach dem Training auf kognitiver Ebene mehr über Diversity oder können die Vorteile von Diversity für das Unternehmen aufzeigen. Dieser Effekt bleibt gemäß der Metaanalysen auch langfristig stabil oder nimmt sogar in einigen Fällen über die Zeit noch zu, da ein Diversity Training die Aufmerksamkeit und das Interesse für Diversity-Themen verstärkt und somit auch im Nachgang die Wissensbasis noch erweitert wird.

// Verhaltensänderung: Auch auf der Ebene des Verhaltens zeigen Diversity Trainings Wirksamkeit - wenn auch mit kleinerer Effektstärke - und können zu Verhaltensänderungen führen, etwa wenn Führungskräfte nach dem Training diversity-bewusste Führung aktiv umsetzen.

// Einstellungsänderung: Die kleinsten Effekte weisen Diversity Trainings auf der Eben der Einstellungen auf. Es existieren zwar Studien, in denen die Teilnehmenden beispielsweise nach dem Training eine signifikant positivere Einstellung gegenüber Minderheitengruppen hatten, dieser Effekt nahm jedoch mit der Zeit wieder ab.

Insgesamt ist die Wirkung von Diversity Trainings also positiv, auch wenn Einzelstudien widersprüchliche Resultate produzieren und die Effekte teilweise eher gering sind.

Die Rahmenbedingungen für mehr Wirkung

Möchte man also möglichst viel aus einem Diversity Training herausholen, ist die Frage: Unter welchen Bedingungen wirkt es am besten? Beide Metaanalysen zeigen, dass die Effekte der Trainings umso größer sind, wenn …

  • … sie sowohl das Ziel verfolgen, Sensibilität für Diversity zu fördern als auch das Verhalten im Umgang mit Diversity zu verändern.
  • … genug Zeit für das Training zur Verfügung steht. Die Literatur deutet darauf hin, dass ein Training unter vier Stunden wenig wirksam ist, zumindest nicht, wenn damit Einstellungen verändert werden sollen.
  • … die Teilnehmenden die Gelegenheit bekommen, möglichst viel miteinander zu interagieren.
  • … sowohl aktive als auch passive Lernmethoden eingesetzt werden (z. B. Rollenspiele kombiniert mit Videos).
  • … in Folgetrainings die in der Zwischenzeit gemachten Erfahrungen reflektiert werden.

Flankierend zu den Trainings sollte eine Organisation auch noch weitere Maßnahmen im Rahmen des Diversity Managements durchführen, damit diese als ein Baustein eines umfassenderen Veränderungskonzeptes ihre Wirkung entfalten können.

Diversity-Trainings können also wirkungsvoll sein, die Ergebnisse scheinen jedoch sehr fragil: Verhaltensänderungen konnten nur bedingt nachgewiesen werden, ob die Effekte - außer einem Wissenszuwachs, der sich über die Zeit noch verstärkt - länger als acht Wochen nach dem Training noch nachweisbar sind, ist nicht überprüft und erzielte Einstellungsänderungen lassen nach einer Weile wieder nach. Ich habe mich also gefragt, ob es nicht alternative Ansätze gibt, mit deren Hilfe sich die Effekte weiter verstärken und nachhaltiger verankern lassen? Die vielleicht sogar richtiggehend für Diversity begeistern können, lebensverändernde Aha-Momente hervorrufen und das Training zu einem unvergesslichen Erlebnis werden lassen? Ich habe mich auf die Suche gemacht und eine mögliche Antwort gefunden: Das Konzept des erfahrungsorientierten Lernens.
 

Wie wir am besten lernen

Erfahrungsorientiertes Lernen zielt darauf ab, sich selbst als Mensch in Interaktion zu erfahren, d. h.  miteinander zu gestalten, zu kommunizieren, nachzudenken, zu erleben, zu fühlen. In diesem Sinne ist

erfahrungsorientiertes Lernen eigentlich die Art zu Lernen, die für unser Gehirn optimal ist - neurodidaktisch optimiert sozusagen. Und wer noch eine etwas fundiertere wissenschaftliche Erklärung dieser These wünscht -  hier die Hintergründe:

Eine Erfahrung entsteht in Folge eines individuell wahrgenommenen Erlebnisses. Dieses wird auf kognitiver, affektiver und somatisch-motorischer Ebene subjektiv bewertet und auf dieser Basis in das eigene Selbstverständnis sowie die persönliche Beurteilung der Welt integriert. Besonders wichtig ist dabei die emotionale Bewertung. Im limbischen System, der „emotionalen Bewertungsstelle des Gehirns“, wird der bislang nur kognitiv-faktischen Einsicht eine emotionale Bedeutung verliehen, wodurch das Erlebte Bedeutsamkeit erlangt und sich fester in entsprechend neuronalen Netzwerken verankert. Erfahrungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Aufmerksamkeit besonders erregen, dadurch die Wahrnehmungsleistung erhöhen und das Gedächtnis stärker aktivieren. Nur wenn das Gehirn etwas als „überraschend“, „anders“ oder „besser als erwartet“ wahrnimmt, verarbeitet es diese Erfahrungen mit einer höheren Priorität weiter und schaltet seinen „Autopiloten-Modus“ ab, der das Wahrgenommene selbstgesteuert verarbeitet.

Da Erfahrungen mehrere Wahrnehmungskanäle ansprechen, unterstützen sie auch auf diese Weise nachhaltiges Lernen. Erfahrungsorientiertes Lernen aktiviert nicht nur (z. B. über Sprache) eher sprachlich-logische Zentren, sondern gleichermaßen auch Hirnregionen, die über Bilder und haptische Elemente oder motorische Impulse aus der Bewegung aktiviert werden [36]. So entsteht ein höchstmöglicher Grad an Vernetzung. Darüber hinaus schafft es eine deutlich bessere Grundvoraussetzung für eine intendierte Einstellungsänderung, die sich über selbstgesteuertes, entdeckendes Lernen leichter einstellt. Erfahrungsorientiertes Lernen schafft ausreichend Raum, um durch Ausprobieren und ein breites Angebot von möglichen Erkenntnissen eigenständig Schlussfolgerungen zu ziehen und zu neuen Einsichten zu gelangen. Kognitive Widerstände oder reaktantes Verhalten sind so weniger zu erwarten.

Je nach Reizstärke werden Erfahrungen über diese Mechanismen mit bewussten sowie nicht bewussten Gedächtnisinhalten verknüpft. Wirksames erfahrungsorientiertes Lernen sollte also, dem aktuellen Stand der neurobiologischen Forschung zufolge, bei den Teilnehmenden eine hohe Aufmerksamkeit erzeugen, Emotionen wachrufen und Inhalte möglichst ganzheitlich, interaktiv und erlebnisreich darstellen. Zusammen mit einer kognitiven Reflektion in der Vor- aber vor allem in der Nachbereitung der Erfahrung wird diese vielschichtiger und stärker in neuronalen Netzwerken verarbeitet und verankert als durch jeweils einzeln auf kognitive oder emotionale Effekte zielende Lernansätze.

Ende des kleinen wissenschaftlichen Exkurses J Man kann es auch etwas kürzer sagen:  

// Lernen ohne Autopilot
Normalerweise läuft unser Gehirn quasi selbstgesteuert, und nur wenn etwas „überraschend“ ist, „anders“, „besser als erwartet“, verarbeitet es diese Erfahrungen mit einer höheren Priorität weiter. Außerdem wird dann Dopamin ausgeschüttet und belohnt das Lernen mit einem guten Gefühl.

// Lernen mit Emotionen
Emotionen, z. B. Spaß, fokussieren unsere Aufmerksamkeit und sie öffnen die Zugänge zu unseren Gedächtnisspeichern. Dadurch bleiben neue Informationen quasi „wie an Leim“ im Langzeitgedächtnis kleben.

// Lernen wie Kinder
Erfahrungsorientiertes Lernen reaktiviert in gewisser Weise auch die Lernstrategien, die wir als Kinder hatten. Kinder sind ja die besten Lerner und lernen oft alleine durch’s Ausprobieren. Für dieses selbst Entdecken braucht es aber ausreichend Raum - Wissen kann man nämlich eigentlich gar nicht „vermitteln“, sondern nur anbieten.

// Lernen in Bewegung
Und weil unser Gehirn und das restliche Nervensystem direkt mit dem gesamten Körper vernetzt sind, bringt erfahrungsorientiertes Lernen

// Lernen über viele Kanäle
Schließlich braucht das Gehirn für nachhaltiges Lernen auch die Ansprache über mehrere Kanäle, also nicht nur sprachlich-logisch über die Großhirnrinde, sondern auch intuitiv über Bilder oder haptische Elemente – also Kanäle, die quasi mitten ins Stammhirn laufen (weil das als emotionaler Feedbackgeber „bewertet“, was das restliche Gehirn „tut“).

In der Theorie erhöht die Arbeit mit erfahrungsorientierten Lernmethoden also die Wahrscheinlichkeit, dass Diversity-Trainings nachhaltiger wirken und sich die Lerneffekte dadurch verstärken, aber relevant ist natürlich die Praxis. Wo immer es möglich und sinnvoll ist, setze ich in unseren Diversity-Trainings erfahrungsorientierte Methoden ein und freue mich, wenn ich merke, dass dadurch wirklich etwas bei den Teilnehmenden ankommt. Das ist immer dann der Fall, wenn sie erkennen, dass Diversity etwas mit ihnen selbst zu tun hat, wenn sie sicherer im Umgang mit Vielfalt werden und wenn sie selbst Begeisterung dafür entwickeln.  


Wie man gute Diversity Trainings konzipiert und durchführt, vermitteln wir übrigens auch in unserer Diversity Management Ausbildung. Darin zeigen wir ganz praxisorientiert, wobei es bei Diversity Trainings wirklich ankommt und wie man von der Erfahrung zur Erkenntnis in Sachen Diversity gelangt.