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Corona – und jetzt? 10 Ideen für die Diversity Schwerpunkte der nächsten Monate

Wir haben uns gefragt: Was würden wir tun, wären wir Diversity Manager*innen in einer Organisation – während und nach der SARS-Cov2-Pandemie?

Wenn wir den Teilnehmenden unserer Diversity Management Ausbildung vermitteln, wie sie Diversity Ma-nagement nachhaltig in der eigenen Organisation verankern, orientieren wir uns natürlich am Stand der Forschung verschiedenster Disziplinen und der Managementpraxis erfolgreicher Organisationen. Aber wir fragen uns immer auch: Wie würden wir es selbst machen? Wie würden wir diese oder jene Herausforderung angehen, wie würden wir das Thema strategisch anpacken und wie würden wir neue Möglichkeiten gezielt nutzen? Die gleiche Frage haben wir uns jetzt wieder gestellt: Was würden wir tun, wären wir Diversity Manager*innen in einer Organisation – während und nach der SARS-CoV2-Pandemie?

UNSERE IDEEN IM ÜBERBLICK 
1. Die Rolle als interner Service Provider bewusst ausfüllen
2. „Den Puls fühlen“ und flexibel bleiben
3. Sich als „Fels in der Brandung“ bei Mitarbeitenden und Führungskräften präsentieren
4. Führungskräften alltagsrelevante Unterstützung bieten
5. Die interne Kommunikation in Corona-Zeiten unterstützen
6. Chancen da nutzen, wo sie sich jetzt bieten
7. Frei gewordene Zeit für strategische Planung nutzen
8. Den Diversity Management Business Case checken
9. Verständnis für alle schaffen und die Veränderungen kritisch-konstruktiv begleiten
10. Aus geteilten Krisen-Erfahrungen gemeinsame Erkenntnisse und mehr Diversity-Bewusstsein schaffen

 

1. Die Rolle als interner Service Provider bewusst ausfüllen

Wie in der großen Politik schlägt in Krisenzeiten auch für das Diversity Management zunächst die Stunde der Exekutive. Es geht um Lösungen – schnell, pragmatisch, aber fundiert und gut durchdacht mit dem größtmöglichen Impact. Am Ende des Tages ist das Diversity Management schließlich dazu da, allen in der Organisation „zu dienen“, die Situation zu verbessern, Hilfestellung zu leisten.

Dafür braucht es zunächst ein schnelles Bild der Lage. Wenn das Diversity Management bereits gut strategisch aufgestellt ist, existieren schon Daten, die nur noch auf die aktuelle Situation angepasst werden müssen. Andernfalls muss man etwas weiter ausholen: Wer sind die Stakeholder und welche Erwartungen haben sie an das Diversity Management – im Allgemeinen und speziell jetzt in der Corona-Krise? Wie können wir diesen Erwartungen gerecht werden? An welchen Stellen könnte jetzt Bedarf bestehen, die Expertise aus dem Diversity Management zu nutzen?

Schon mit diesen wenigen aber gezielten Fragen spannt sich ein weites Feld an Anspruchsgruppen auf: Gruppen, die wir bisher schon „bedient“ haben und die uns weiterhin brauchen, Gruppen, die wir jetzt vielleicht noch stärker ausdifferenzieren müssen, weil Bedürfnisse spezifischer geworfen sind und Gruppen, die bis jetzt vielleicht nur am Rande unseres Stakeholder-Radars aufgetaucht sind und denen wir jetzt aber gut unter die Arme greifen können.

Wie sieht es beispielsweise aus mit heterogenen Teams, die plötzlich primär virtuell zusammenarbeiten? Wie mit Vielfalt in Teams gut und professionell umgegangen werden kann, haben wir bisher hoffentlich schon gut wahrnehmbar adressiert. Aber jetzt kommen wir ins Fortgeschrittenen-Level und es gibt eine lange Liste hilfreicher Tipps aus der Forschung zu interkulturellen virtuellen Teams, um beispielsweise die Kohäsion, den Klebstoff des Gruppenzusammenhalts, zu stärken, Missverständnisse einzudämmen und dafür zu sorgen, dass alle an Bord des Teamprozesses bleiben. Genug Stoff für einen Blog-Artikel oder ein Erste-Hilfe-Mailing für Führungskräfte und Teamleitungen.
 

2. „Den Puls fühlen“ und flexibel bleiben

Wir haben uns alle gefreut, dass das Diversity Management in den letzten Jahren mehr Fahrt aufnehmen konnte, häufig mehr Budgets zur Verfügung gestellt wurden und so eine gewisse längerfristige Planungssicherheit auch für größere (Sensibilisierungs-)Kampagnen entstehen konnte. Die Roadmaps für 2020 liegen daher in vielen Organisationen fertig in den Schubladen. Aber auch wenn die Plakataktion oder das Event, sei es digital oder analog, optimal vorbereitet sind, ist jetzt möglicherweise nicht der richtige Zeitpunkt – weder was die Aufmerksamkeit für das Thema betrifft noch hinsichtlich der Rahmenbedingungen. Kritisch prüfen, was momentan sinnvoll ist, im Zweifelsfall mutig sein, umplanen und auf Zeiten warten, in denen wieder mehr Aufnahmekapazität vorhanden ist, ist momentan wohl die Devise.

Kernkompetenz von Diversity Manager*innen war ja irgendwie immer auch, zu wissen, wann man sich zurücknehmen sollte. Die Akzeptanz des Themas ist noch fragil und in Krisenzeiten ist für Sensibilisierung und Selbstreflektion oft der Kopf einfach nicht frei genug. Warum Diversity (Management) wichtig ist, interessiert zumindest einen Teil der Beschäftigten momentan vermutlich schlichtweg nicht – und es reicht ja auch, dass sie spüren, dass es da ist.

Allerdings kann es genauso sein, dass in der sich langsam einstellenden „neuen“ Normalität durchaus ein Bedürfnis da ist, wieder in andere Richtungen zu denken, nach vorne zu schauen, sich weiterzuentwickeln. Dann gilt es, die passenden Angebote zu machen, die gerade den Puls der Zeit im eigenen Unternehmen treffen. Wer die Möglichkeit hat, unkomplizierte „Pulse Checks“ durchzuführen oder ein „Soundingboard“ zum eigenen Netzwerk zählen darf, hat hier schon gute Vorarbeit geleistet. Die Stimmung aus verschiedenen Funktionsbereichen und Hierarchieebenen einzufangen – und sei es nur durch subjektive Einschätzungen aus verschiedenen Perspektiven – kann helfen, das Richtige auszuwählen.
 

3. Sich als „Fels in der Brandung“ bei Mitarbeitenden und Führungskräften präsentieren

Wenn es um die Vielfalt von Lebensentwürfen geht, war das Selbstverständnis des Diversity Managements schon immer die „Begleitung in guten wie in schlechten Tagen“. Der ganze Mensch steht im Fokus, auch bei persönlichen Veränderungen, Herausforderungen und Schicksalsschlägen – eben in jeder Lebensphase. Und ohne Zweifel kann man diese Corona-Zeit als „Lebensphase des Umbruchs – für alle“ betrachten.

Was heißt das nun für das Angebot an Unterstützungsleistungen? Zum einen wird der Bedarf danach vermutlich steigen. Familienservice, Schuldner*innenberatung, Ferienbetreuung oder die psychologische Notfall-Hotline werden eine gleichbleibende oder sogar höhere Nachfrage als noch vor Corona-Zeiten verzeichnen. Aber kann diese auch wie vorher gedeckt werden? Wo müssen Programme so aus- oder umgebaut werden, dass sie auch remote genutzt werden können oder als Physical Distancing Variante? Lässt sich statt des Ferienprogramms eine spannende Online Kinder-Akademie organisieren oder die Spiele- und Experimentierkiste den teilnehmenden Familien nach Hause schicken?

Welche neuen Angebote braucht es, beispielsweise für Mitglieder der Risikogruppen? Wer rechnet damit, bis zum Ende der Pandemie besser so häufig es nur geht im Home Office zu arbeiten und braucht deshalb einen voll ausgestatteten Heimarbeitsplatz? Wer braucht auch zu Hause die Hilfsmittel, die im Büro für ein produktives Arbeiten unverzichtbar sind, wie ein höhenverstellbarer Schreibtisch oder der Spezialbildschirm für Sehbeeinträchtigungen? Bei diesen Fragen auch die Expert*innen für Arbeitsschutz und Arbeitsplatzergonomie auch mit ins Boot zu holen, ermöglich hoffentlich schnelle Lösungen für die Betroffenen.

Zum anderen wird es wichtiger werden, Unterstützungsangebote auf unterschiedlichen Kanälen leicht zugänglich zu machen und zu kommunizieren. Über Aushänge oder Bildschirme in der Kantine sind zurzeit vermutlich eher weniger Beschäftigte zu erreichen als über ein Mailing an alle Mitarbeitenden, das alle relevanten Angebote direkt ins Postfach liefert. Genauso hilfreich sind aber auch kleine „Gastauftritte“ bei virtuellen Meetings wichtiger Multiplikator*innen, die im Anschluss ein digitales Infopaket zugeschickt bekommen und in ihre Netzwerke weiterleiten können.

Da die Belastungen für alle momentan extrem hoch sind, kommt der Diversity Dimension „körperliche und geistige Fähigkeiten“ spätestens jetzt eine besondere Bedeutung zu. Webinare zur Stressbewältigung, Tipps zum Erhalt der mentalen Gesundheit, Burn out aber auch Bore out Prophylaxe (also das Ausbrennen zu vermeiden genauso wie den Fall ins tiefe Loch des Unbeschäftigt Seins, wenn die Arbeit als „Sinn des Lebens“ fehlt oder weniger abwechslungsreich ist) sollten schnell und für alle leicht zugänglich gemacht werden. Wer hier auf einer (ohnehin gesetzlich vorgeschriebenen) Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen aufbauen kann, hat bereits ein gutes Fundament, das sich durch die „Diversity- und Corona-Brille“ gezielt ausweiten lässt.

Was zunächst ein gutes Stück an Mehrarbeit bedeutet, zahlt sich jedoch sicher für die Zeit nach der Krise aus. Vielen war der ganz persönliche Nutzen des Diversity Managements für ihren Arbeitsalltag möglicherweise noch nicht klar – jetzt besteht die Chance, sich zu positionieren – ganz pragmatisch und „hands on“. Das heißt jedoch auch, dass die Kapazitäten für Beratung, Vermittlung und „das offene Ohr“ eventuell aufgestockt werden müssen. Corona wird uns noch eine ganze Weile weiter begleiten, also lohnt es sich, das jetzt von der Führungsebene einzufordern.
 

4. Führungskräften alltagsrelevante Unterstützung bieten

Auch ohne Corona braucht funktionierendes Diversity Management die Führungskräfte – und mit umso mehr. Aber das gilt genauso umgekehrt. Die Flut an Tipps und Tools, die Führungskräften eine erste Orientierung für ihre neue Rolle als „remote leaders“ geben wollte, war in den letzten Wochen riesig. Diversity war darin jedoch eher weniger ein Thema. Die Vielfalt ist aber natürlich nicht plötzlich weg – sie sitzt jetzt eben nur im Home Office. Und dort muss sie von den Führungskräften geführt, gelenkt, verstanden, gehört und gesehen werden, auf ganz anderen Wegen als bisher. Für die Ausgestaltung von diversity-bewusster Führung ergeben sich dadurch ganz neue Fragen:

  • Wie kann ich als Führungskraft ein Vorbild in Sachen Diversity sein, wenn mein Verhalten nur noch gefiltert über den Bildschirm wahrnehmbar ist? Oder gerade weil ich durch tägliche Guten-Morgen-Video-Calls mit dem Team viel sichtbarer bin als bisher?
  • Wie kann ich dafür sorgen, dass sich alle gleichermaßen mitgenommen fühlen, obwohl die Sorgen, Bedürfnisse und Arbeitsstile oft vollkommen unterschiedlich sind? Reicht es, mit dem einen in Slack zu chatten, mit dem anderen einen Video-Call per Zoom zu terminieren und mit dem dritten Mails zu schreiben? Oder geht es hier noch um ganz andere Aspekte von Diversity? Wie schaffe ich es zum Beispiel, das Wohl auch derjenigen im Blick zu behalten, die sonst Privates und Berufliches möglichst trennen wollten – wenn jetzt quasi alle gemeinsam im eigenen Wohnzimmer stehen?
  • Wie können die Rahmenbedingungen der Arbeit diversity-bewusst gestaltet werden, obwohl die Home Offices der Mitarbeitenden zwischen Homeschooling, Windeln wechseln und Mittagessen kochen den Spielraum hierfür arg schrumpfen lassen? Wer braucht wie viel und welche Unterstützung?
  • Wie können wir neue Regeln der Zusammenarbeit finden, die Diversity von vorneherein mitdenken? Wie können wir als Team gut damit umzugehen, dass die Arbeitszeiten auseinanderfallen, weil Eltern jetzt auch die Kinderbetreuung übernehmen müssen und oft erst abends konzentriert Aufgaben abarbeiten können? Und weil den einen der Smalltalk in der Kaffeeecke fehlt, während es anderen wichtig ist, bei virtuellen Meetings schnell auf den Punkt zu kommen, weil das Kind gleich aus dem Mittagsschlaf aufwachen könnte?
  • Wie schaffen wir es, als heterogenes Team auch virtuell unser gemeinsames Ziel nicht aus den Augen zu verlieren?
  • Und wie kann es in diesen Zeiten auch weiterhin darum gehen, Potenziale zu entfalten oder Talente zu fördern – chancengleich und bias-frei?

Führungskräfte brauchen gerade besonders viel Phantasie und vermutlich hilft es ihnen daher am meisten, wenn sie gute Ideen geliefert bekommen, die ihnen zumindest einige der neuen Alltagsherausforderungen lösen. Das kann die „generationsübergreifende Azubi-Vermittlung“ zur schnellen Lösung bei digitalen Herausforderungen genauso sein wie der „Kleine Guide für’s Home Office – Führen auf Distanz von heterogenen Teams“ oder ein vom Diversity Management moderierter Video-Call zum Erfahrungsaustausch von Führungskräften zum diversity-bewussten Führen in der Corona-Krise. 

Nicht zuletzt geht es nämlich auch darum, als Diversity Abteilung präsent zu bleiben, damit bereits Erreichtes nicht wieder verloren geht, weil es nicht in die „neue Normalität“ mitgenommen wird. Nach den „Erste-Hilfe-Interventionen“ könnte es daher auch der E-Mail-Reminder werden mit Tipps zur Vermeidung von Unconscious Biases im Remote-Modus, sowohl in Bezug auf das eigene Team als auch bei Bewerbungsgesprächen. Denn niemand ist frei von Bewertungen und verzerrten Entscheidungen, wenn beispielsweise das Zimmer im Hintergrund unaufgeräumt ist – egal, ob es daran liegt, dass das Kleinkind gerade seine Spielekiste umgeworfen hat oder Möbel ausgelagert wurden, weil im Schlafzimmer ein Wasserschaden behoben werden muss. Und in Zeiten von wochenlang geschlossenen Frisören ist das äußere Erscheinungsbild eine noch schlechtere Bewertungsgrundlage für Potenzial und Leistung.

Gleichzeitig müssen wir uns als Diversity Manager*innen aber auch die Frage stellen: wie bestärken wir diejenigen Führungskräfte, die überfordert sind und jetzt an ihrer Führungsqualität zweifeln? Die vielleicht erst frisch in ihre Führungsrolle hineingewachsen sind oder selbst im Home Office mit der Familie Stress haben? Auch hier gibt es Vielfalt, die wir nicht im Stich lassen sollten.
 

5. Die interne Kommunikation in Corona-Zeiten unterstützen

In Krisenzeiten bekommt transparente Kommunikation, die umfassend informiert ohne Panik zu verursachen oder den Stand der Dinge darstellt, um zu beruhigen und mögliche Ängste zu nehmen, noch einmal einen höheren Stellenwert. Oft muss es schnell gehen, gleichzeitig darf aber niemand außen vor bleiben. Es können nicht mehr alle Kommunikationskanäle genutzt werden, aber auch wie mit noch bestehenden oder neuen Kanäle umgegangen wird, ist ganz individuell. Gute Impulse aus dem Diversity Management, das die Belegschaft mit einem differenzierenden Blick auf ihre Informationsbedürfnisse hin scannt, werden daher sicher gerne von der internen Kommunikation angenommen.
Jede Information, die alle Beschäftigten betrifft, braucht es mehrsprachig und barrierefrei, genauso wie Leitfäden, Webseiten oder Mailings zum Umgang mit Corona. Das umfasst eine Version in so genannter Leichter Sprache genauso wie die Lesbarkeit durch Screenreader. Videos oder ein Townhall-Talk per Livestream oder Videokonferenzen werden mit Audiodeskription, Untertiteln und Gebärdendolmetscher*innen und Übersetzungen für Nicht-Muttersprachler*innen inklusiv für alle. Je digital-lastiger die Kommunikation wird, desto wichtiger ist es allerdings auch, an diejenigen zu denken, die derzeit nicht arbeiten können (etwa weil die Produktion stillsteht oder die Kantine geschlossen hat) und kein Home Office oder schnelles Internet zu Hause haben.
 

6. Chancen da nutzen, wo sie sich jetzt bieten

Der Umgang mit der Corona-Krise bringt unglaublich viel in Bewegung, und das ist für das Diversity Management eine absolut positive Entwicklung. Vielleicht lässt sich gerade nicht mehr alles umsetzen wie geplant, aber dafür gibt es Umstrukturierungen von Prozessen, Neueinführung von Produkten oder vielleicht sogar komplett neue Geschäftszweige, die neue Chancen zur Mitgestaltung bieten. Diversity Manager*innen brauchen manchmal viel Geduld und müssen jahrelang warten, um beispielsweise einen bisher in Stein gemeißelt Personalprozess hinsichtlich Unconscious Biases zu optimieren zu dürfen. Jetzt können wir bei den disruptiven Veränderungen, beispielsweise dem Umstieg auf digitales Recruiting, von Anfang an dabei sein und wertvolle Impulse liefern. Grund genug, die gerade ohnehin nicht optimal durchführbare Sensibilisierungskampagne zwischenzeitig links liegen zu lassen.

Lohnenswert wird es auch sein, bei der Zeitraffer-Digitalisierung der Personalentwicklung so viel wie möglich „mitzumischen“. Haben E-Learning-Anbieter Ahnung von und Ideen für Barrierefreiheit – über eine simple Untertitelung von Videos hinaus? Wird bei der Auswahl des Zeichenstils darauf geachtet, Stereotype zu vermeiden und erfolgt die Gestaltung von Wort und Bild diversitätssensibel, unabhängig von der vermittelten Thematik? Wird bei der Einladung zu Webinaren oder dem nachfolgenden Versenden der Präsentation auch angeboten, eine kontrastreiche oder screenreader-geeignete Version zu versenden? Kann das Webinar parallel gebärdet werden?

Wir können auch ein wenig über den HR-Tellerrand hinausschauen (was Diversity Manager*innen ohnehin immer tun sollten) und diejenigen Geschäftsbereiche identifizieren, in denen Diversity jetzt seine große Stärke ausspielen kann: Wo gilt es gerade, besonders innovativ zu sein? Wo sind knifflige Problemlösungen gefragt? Vielfältige Teams sind prädestiniert für diese Aufgaben, aber damit sie erfolgreich zusammenarbeiten können, müssen sie gut gemanagt werden. Liegt hier noch keine Erfahrung vor – weder im Team noch bei der Teamleitung – ist aktives Coaching dieser Teams jetzt gut investierte Zeit, denn die Voraussetzungen sind nicht optimal: Zeitdruck, Stress, wenig Möglichkeiten für Teambuilding, erschwerte Kommunikation. Mit dem Diversity Management als Sparringspartner werden die Teams leichter arbeitsfähig und kommen gut durch Konfliktsituationen.

Umgekehrt ist es vielleicht möglich, vielfältigere Perspektiven einzubringen, wo aktuell neue Produkte und Dienstleistungen entwickelt werden, die der besonderen Corona-Situation Rechnung tragen. Wie können dabei die Bedürfnisse von unterschiedlichen Risikogruppen gut bedient werden? Die von Eltern mit Home-Schooling-Mehrfachbelastung? Von Menschen, die auf Hilfe von anderen angewiesen sind?

Den größten Schwung hat die SARS-CoV2-Pandemie wohl in die Veränderung der Unternehmenskultur gebracht – weg von der Präsenz-, hin zu Ergebnis- oder sogar Vertrauenskultur. Wie lässt sich dieses Momentum weiter für das Diversity Management nutzen, auch wenn die Krise vorbei ist? Reicht die Zeit des gemeinsamen Lernens oder werden wir wieder in alte Muster zurückfallen? Grundsätzlich kommen wir hier jedoch momentan schneller voran als wir vermutlich je zu träumen gewagt haben und dürfen jetzt lernen, diese Welle zu reiten.

Vermutlich wird es bei den vielen Themen, die aktuell neu umgesetzt werden, sogar schwierig sein, sich bei allen gleichermaßen zu beteiligen. Daher kann auch eine kleine Nutzwertanalyse nicht schaden: welches Projekt bietet derzeit die größten Chancen, um mit Diversity voranzukommen – und zu welchem Aufwand?
 

7. Frei gewordene Zeit für strategische Planung nutzen

Vielleicht ist es in manchen Organisationen aber auch so, dass kaum noch was geht, dass gerade alles viel zu unsicher ist und ein Planen und Agieren, egal in welche Richtung, nicht wirklich funktioniert. Dann ist aber selbst das eine kleine Chance, denn sie verschafft uns Zeit. Zeit zum Reflektieren und für strategische Überlegungen, ohne den üblichen Druck für schnell sichtbare Quick Wins, der Ressourcen verbraucht, die an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt wären. In vielen unserer Diversity Strategieentwicklungsprojekte war genau das immer ein Engpass und hat die saubere Strategiearbeit erschwert. Bedarfsanalysen - zu aufwändig! Strukturierte Datenauswertung - wer soll das machen? Wenn ständig das Operative dem Strategischen das Wasser abgräbt, ist es schwer, langfristig zu planen und damit auch nachhaltige Ergebnisse zu erzielen.

Dafür könnte jedoch genau jetzt Zeit sein. Einfach mal drei Wochen lang die virtuelle Bürotür hinter sich schließen und sich nur mit den Daten zu Diversity befassen, Struktur schaffen, Datenlücken identifizieren, strategische Ziele ableiten, Kennzahlen entwickeln… Selbst wenn es nur auf dem Papier ist (ein ordentlicher Strategieprozess führt ja in Workshops auch die Sichtweisen verschiedener Stakeholder zusammen und sorgt dafür, dass Ziele beteiligungsorientiert entwickelt werden, so dass möglichst alle Bereiche dann auch ihre Umsetzung mittragen können), ist das eine Basis.

Wenn es schon eine Strategie gibt sowie ein gutes Netzwerk an strategischen Partner*innen – umso besser. Dann macht es Sinn, die strategischen Ziele auf ihre Zukunftstauglichkeit zu prüfen und möglicherweise anzupassen, denn mit Corona verändert sich wohl auch teilweise die Ausgangslage für das Diversity Management. Das ist sicher nicht einfach, denn die Unsicherheiten sind noch groß. Aber hier kann Diversity wiederum die eigene Stärke ausspielen: Perspektivenvielfalt. Der Bitte um eine Einschätzung der Lage, und sei es nur eine ganz subjektive Momentaufnahme, kommen die strategischen Partner*innen sicherlich nach, ganz unkompliziert, bilateral, nur eine halbe Stunde. Außerdem könnten vielleicht gerade jetzt auch weitere Personen mit ihrer Expertise hilfreich sein. Dann ist das ein guter Anlass, das Netzwerk auszubauen. So gewinnen wir neue Impulse für die strategische Ausrichtung oder können guten Gewissens strategische Ziele als weiterhin gültig in die Umsetzung bringen, sobald das wieder besser möglich ist.
 

8. Den Diversity Management Business Case checken

Wenn wir realistisch sind, bietet die derzeitige Situation zwar viele Chancen, sie birgt aber natürlich auch Risiken. Selbstverständlich kann auch der Moment kommen, in dem die Diversity Aktivitäten in Frage gestellt werden, weil Ressourcen anders verteilt werden müssen. Dann heißt es: gut vorbereitet sein und einen möglichst überzeugenden Business Case für das Diversity Management aus der Schublade ziehen. Den gibt es noch nicht? Dann ist spätestens jetzt der richtige Zeitpunkt dafür.
 

9. Verständnis für alle schaffen und die Veränderungen kritisch-konstruktiv begleiten

Es stimmt, in dieser Krise sind wir alle irgendwie gleich, aber hinter dieser Gleichheit liegt dennoch eine unendliche Vielfalt. Wir stehen vor den verschiedensten und ganz unterschiedlich großen Herausforderungen, und auch wenn wir gleiche Herausforderungen teilen, gehen wir doch ganz unterschiedlich damit um. Wie, das ist abhängig von den persönlichen und familiären Rahmenbedingungen, von Erfahrungen aus der eigenen Vergangenheit, von der Erkenntnis, bereits erfolgreich durch ähnlich harte Zeiten gegangen zu sein, oder dem Gefühl es vollkommen Hineingeworfen seins in etwas ganz Unbekanntes, von den eigenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten, von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche, der Herkunft aus einer bestimmten Region oder der Zugehörigkeit zur Risikogruppe – die in sich auch wieder komplett heterogen ist.

Das sind – von außen betrachtet – spannende soziale Prozesse. Es wachsen neue soziale Gruppen, die auch in der Arbeitswelt relevant sind und für die, quasi in Echtzeit beobachtbar, auch eigene Schubladen und Biases entstehen. Wie sieht jemand aus, der der Risikogruppe angehört? Alt, grau und gebrechlich, oder doch auch jung, dynamisch, aber eben mit Immunschwäche oder chronischem Asthma?

Für uns als Diversity Manager*innen heißt das einerseits, das tun, was schon immer eine unserer Hauptaufgaben war: Verständnis schaffen, für Empathie werben, Perspektivwechsel anregen und die Basis für ein achtsames Miteinander schaffen. Andererseits müssen wir aufmerksam bleiben und auf Missstände hinweisen, die auch in Zeiten wie diesen kein Kavaliersdelikt sind. Es geht nicht, dass in München eine Chinesin von ihrem Nachbarn beschimpft wird und es geht auch nicht, dass in Guangzhou schwarze Menschen in einigen McDonalds-Filialen keinen Zutritt mehr erhalten und auch anderweitig diskriminiert werden. Wir müssen uns auch gemeinsam Gedanken machen, wie wir in den Organisationen die „schweigende Mehrheit“ stärken und diejenigen nicht verlieren, die dazu neigen könnten, hinter Corona (antisemitische) Verschwörungstheorien vermuten oder gerne geschlossene Grenzen sehen, die nicht nur das Virus sondern auch geflüchtete Menschen zurückhalten.

Unser Sensibilisierungsauftrag hört also nicht auf, aber er wird in diesen Zeiten ein ganzes Stück konkreter, findet mehr Beispiele. Die Krise macht vieles deutlich, was schon viel zu lange nicht gepasst hat. Warum braucht es erst den massiven Protest von gehörlosen Menschen, bis Informationen über ein lebenswichtiges Thema endlich auch annähernd barrierefrei kommuniziert werden? Hat bei allen Risikofolgenabschätzungen – sei es gesundheitlich, wirtschaftlich oder sozial – auch die Perspektive von Alleinerziehenden, erwerbstätigen Müttern und jungen Familien eine ausreichende Berücksichtigung gefunden? Und wurde eigentlich bei der Zusammenstellung des Leopoldina-Expert*innen-Gremiums auch auf eine halbwegs ausgewogene Gender-Balance geachtet (bei nur 2 Frauen in einem 26-köpfigen Gremium und einem Altersdurchschnitt von über 60 beantwortet sich diese Frage wohl nahezu von selbst)?

Diversity als Thema darf also nicht in Vergessenheit und unter die Corona-Räder geraten. Das geht durch pointierte Posts in sozialen Netzwerken genauso wie mit nachdenklich machenden Beiträge im Unternehmens-Blog aber auch durch positive Beispiele: Wo, wenn nicht in der Vielfalt an Coping-Strategien und Erfolgsbeispielen, den tausend verschiedenen Möglichkeiten im Umgang mit der Krise zeigt sich der Mehrwert von Diversity? Teilen, sichtbar machen und voneinander lernen sind dann unsere Hausaufgaben.
 

10. Aus geteilten Krisen-Erfahrungen gemeinsame Erkenntnisse und mehr Diversity-Bewusstsein schaffen

Aus den Erfahrungen von jetzt werden die Erkenntnisse von später, nach der Krise. Fast jeder Tag bringt etwas Neues, Unerwartetes und wir sind manchmal wohl alle über uns selbst erstaunt, wie gut es uns und anderen gelingt, damit umzugehen, obwohl wir uns das nie hätten vorstellen können. Wir lernen also einiges über unsere Lernfähigkeit und das ist vielleicht das Erste, was es nach der Krise zu bewahren gilt. Die erste „Lesson Learned“ sozusagen. Viele weitere werden folgen und wir sollten diese Erkenntnisse irgendwo festhalten, um später damit weiterarbeiten zu können, als Grundstein für echtes erfahrungsorientiertes Lernen, auch in Sachen Diversity:

  • Vielleicht verstehen Familienväter dann besser, wie hoch die Doppelbelastung von Frauen ist, die Care-Arbeit und Beruf miteinander vereinbaren müssen
  • Vielleicht steigt dann auch die gesellschaftliche Empathie für Alleinerziehende
  • Vielleicht können einige dann besser den Frust nachvollziehen, wenn man nicht die Rahmenbedingungen für die eigene Arbeit bekommt, die man bräuchte um zu zeigen, was man wirklich drauf hat
  • Vielleicht fragen sich dann auch Unternehmen, wer dort eigentlich systemrelevant ist: Nur das Top-Management oder vielleicht auch die Wäscherei, das Facility Management oder die Arbeitssicherheit?
  • Und vielleicht gibt es dann auch mehr Wertschätzung für die unterschiedlichen Beiträge von allen

Die Corona-Kommunikation ist außerdem voller Bilder und Metaphern, die sich tief in unser kollektives Gedächtnis einbrennen werden. Mit genug Fingerspitzengefühl lassen sich diese Bilder später in kraftvolle Analogien und Metaphern transformieren, die besonders eingängig sind, weil sie von allen verstanden werden. Wenn wir beispielsweise deutlich machen können, dass bei wichtigen Entscheidungen nicht nur momentan auf Sicht gefahren wird, weil eine gute Datenbasis fehlt, sondern uns dies unbewusst eigentlich ständig passiert, werden vielleicht auch Unconscious Biases und die möglichen Folgen für Diversity zukünftig ernster genommen.
 

FAZIT: WER WOLLEN WIR SEIN IN DER KRISE?

Genauso, wie wir uns alle fragen sollten „Wer will ich sein in dieser Krise?“ gilt diese Frage für das Diversity Management als Ganzes. Unsere Ideensammlung zeigt hoffentlich, dass wir immer Spielräume haben, aktiv zu gestalten und zu wählen, wie wir mit der Situation umgehen - so herausfordernd sie auch ist. Wir können alle entscheiden, wer wir als Diversity Manager*innen in der Krise sein wollen: Vielleicht der wegweisende Leuchtturm. Die verlässliche Sparringspartnerin. Der Mit-Anpacker. Oder die sich-um-alle Kümmerer.

Langsam sehen wir wieder etwas klarer, dass vieles, was auch vor der SARS-CoV2-Pandemie für das Diversity Management galt, immer noch zutrifft und richtig ist. Es haben sich lediglich die Vorzeichen geändert und – ja – vielleicht werden auch die Rahmenbedingungen herausfordernder. Aber es liegen so viele Chancen in dieser Krise, allen voran die Möglichkeit, sich als wertvoller Partner bei den unterschiedlichsten Stakeholdern zu präsentieren. Go for it!
 



Wir freuen uns übrigens sehr über Ergänzungen, neue Ideen, weitere alltagsaugliche Tipps und Tricks. Kommen genug zusammen, veröffentlichen wir gerne ein Update und stellen ein hübsches Dossier zusammen.

Weitere Ideen gerne an info@diversity-institut.de